Was ist ein Ablenkungsverband?
Leserin Claudia D. (37) hat große Sorgen um ihre Großmutter. Die 90-Jährige ist demenzkrank, lebt gemeinsam mit ihrem Ehemann zu Hause und wird von einem Pflegedienst versorgt.
Doch neuerdings hat die Patientin eine offene Stelle am Schienbein. Der Pflegedienst versorgt die Wunde fachgerecht, aber zwischendurch entfernt die alte Dame den Verband und wickelt die schmutzige Binde wieder um das Bein – allerdings ohne die sterilen Kompressen. „Meine Oma hat Durchblutungsstörungen, eine Infektion wäre fatal“, beschreibt die Enkelin das Problem. „Wir haben Angst, dass sich die Wunde entzündet und im schlimmsten Fall der Unterschenkel amputiert werden müsste.“ Was kann man da tun?
Claudia Pilß arbeitet in einem Hamburger Altenheim, das sich auf die Betreuung demenzkranker Bewohner spezialisiert hat. Die Pflegedienstleiterin rät: „Wir kennen das Problem. Einige unserer Bewohner haben Wunden oder müssen einen Katheter tragen. Da muss steril gearbeitet werden. Wir versuchen deshalb in Absprache mit den Angehörigen Lösungen zu finden. Manchmal hilft es, wenn unsere Bewohner Kniestrümpfe oder Strumpfhosen tragen. Dann ist es nicht mehr so leicht, an den Verband heranzukommen. Möglich ist es auch, ihnen eine Latzhose anzuziehen. Außerdem gibt es Overalls, die auf dem Rücken den Reißverschluss haben.“
Manchmal muss man einfach nur erfinderisch sein. Deshalb legen erfahrene Pflegekräfte ihren Patienten einen „Ablenkungsverband“ an. Dabei wird ein zweiter Verband am Arm angelegt – möglichst dick und mit einem großen Pflaster. Damit hat der Betroffene zunächst eine Weile zu tun und ist von der eigentlichen Wunde abgelenkt. Einen Versuch ist es wert.
Außerdem hat Pflegedienstleiterin Claudia Pilß einen Tipp für Familien, die einen demenzkranken Angehörigen zu Hause betreuen: „Wenn Sie mal nicht weiterwissen und Rat benötigen, rufen Sie im nächstgelegenen Altenheim an. In guten Häusern werden Sie sofort eine hilfreiche Auskunft bekommen. Denn die Dementenbetreuung ist unser tägliches Geschäft.“