Therapie statt Tabletten

Eins fällt den Fachkräften in zahlreichen Altenheimen bereits beim Einzug von neuen Bewohner auf: Alte Menschen nehmen oft viel zu viele Medikamente zu sich. Damit sind nicht die Pillen gegen Herzbeschwerden, erhöhten Blutdruck oder zu hohe Cholesterinwerte gemeint, sondern angstlösende Psychopharmaka, Schmerz- und Schlafmittel.

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Schmerzen werden subjektiv wahrgenommen. Ein Beispiel: Arthrose in den Knien tut weh. Schmerzmittel können in so einem Fall durchaus sinnvoll sein, die Dosierung hängt jedoch von den individuellen Lebensumständen ab. Wenn ein Patient zusätzlich allein und in tiefer Trauer lebt, weil der Ehepartner vor Kurzem gestorben ist, empfindet er diese Knieschmerzen viel stärker. Ähnlich ist es bei Ängsten und Schlafstörungen. Einsamkeit verstärkt die Probleme.

Der Umzug in ein Altenheim ist eine große Veränderung, jedoch auch zum Positiven. Die Menschen leben wieder in einer Gemeinschaft, haben Ablenkung. Wichtig ist zum Beispiel, den Tisch zu decken, gemeinsam zu essen und danach abzuwaschen. „Wenn wir mit unseren Bewohnern gemeinsam singen, in unseren Schrebergarten oder zum Einkaufen fahren, macht ihnen das zunächst einmal nur Freude“, erzählt Holger Carstensen, der als Pflegedienstleiter Stadtdomizil Altenpflege-Zentrum (Hamburg-Altona) arbeitet. Bei neuen Bewohnern prüft Carstensen, ob ihre Schmerzen, Ängste oder Schlafstörungen zurückgehen. Die Ergebnisse sind erstaunlich: Durch die zahlreichen Freizeit- und Therapieangebote vergessen die Menschen ihre Ängste und Schmerzen sehr oft. Abends fallen sie dann müde ins Bett und können meistens sogar wesentlich besser schlafen. „Folglich kann in Absprache mit dem behandelnden Arzt häufig die Anzahl der Medikamente deutlich reduziert werden“, erklärt der Pflegedienstleiter den Zusammenhang.

Positiv wirkt sich das auf die geistigen Fähigkeiten aus. Es gibt Arzneimittel, deren Nebenwirkungen demenzähnliche Symptome hervorrufen können. Ebenso können die Wechselwirkungen von vielen verschiedenen Tabletten zur Verwirrtheit führen. Ärzte, Pflegekräfte, Familien und vor allem die Betroffenen selbst sollten das im Blick haben.